Die Bøgh-Fälschungen
  auch "Bøgh-Phantasien" genannt

Widergegeben wird die Bearbeitung "Post von Herrn Olafsen alias Wittusson alias Clausen ... - Eine Fälschungsgeschichte",
die in den "Philatelistischen Nachrichten" der Forschungsgemeinschaft Nordische Staaten e.V., Teil Island, 1995, Seite 363 - 367
veröffentlicht ist. In der Zwischenzeit gesichtete Fälschungen sind hier zusätzlich veröffentlicht.

  
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Post von Herrn Olafsen alias Wittusson alias Clausen ..." - Eine Fälschungsgeschichte

Isländische Briefe und Karten mit ausländischen Transit- und/oder Entwertungsstempeln - besonders aus dem 19. Jahrhundert - sind allzeit besonders begehrt für die Aufwertung der Sammlung. Es sind da zum Teil recht seltene Destinationen bekannt, und heutzutage bekommt man derartiges nur über Auktionen bzw. über spezialisierte Händler. In den letzten zwanzig Jahren erreichte man in der Forschung einen gewissen Grad an Vollständigkeit, was die möglichen Anlandungsorte zwischen Island und den anderen europäischen Ländern betrifft. Und siehe da, es gibt auch bei diesem Sammelgebiet “Schwarze Schafe”!

Ein in durchaus amüsanter und auch interessanter Art verfasster Artikel über in Dänemark um circa 1930 nachgestempelte und beschriftete isländische Karten liegt in der Vereinszeitschrift “Rapport Nr. 90”, Juni 1993, der Vereinigung der Islandsammler in Schweden, vor. Nachdem mir nun in diesem Jahr zwei weitere Fälschungen der nachfolgend beschriebenen Art zu Gesicht kamen, möchte ich den schon eingangs genannten Artikel in etwas gekürzter Form in deutsch widergeben. (Roland Daebel, 1995)

Eine Islandkorrespondenz - fabriziert in Kopenhagen
von Jan Bendix (Übersetzung R. Daebel)

Mit Wolle und Hering von Island
Im Frühjahr 1884 kommt ein Schiff von Island nach Lemvig am Limfjord in Nord-Jütland. Die Last besteht aus Wolle und gesalzenem Hering aber auch aus einer Hand voll isländischer Postkarten, die nun nicht beim Postamt sondern bei der Bahnpostexpedition abgeliefert werden. Der Postexpediteur, der vorher nie Schiffspost entgegengenommen hatte, sieht in seinen Vorschriften, dass diese Post mit FRA ISLAND gestempelt werden muss. Aber solch ein Stempel findet sich nicht in Lemvig, also bestellt man sofort einen per Post in Kopenhagen. Aber auch die Zentrale hat einen solchen Stempel nicht auf Lager; somit geht eine Bestellung an den Graveur. Die Zeit vergeht und mitten im Sommer kommt ein FRA-ISLAND-Stempel nach Lemvig.
In der Zwischenzeit entdeckt man, dass man vergessen hat die Wertstempel der Postkarten mit dem Nummernstempel “73” zu entwerten. Das schafft neue Probleme: Laut Cirkulär vom 8. April 1884 hatte man Nummernstempel an das Generaldirektorat in Kopenhagen zurückzuführen. Ein neuer Brief wird abgesendet, in welchem man das Generaldirektorat bittet, den Stempel “73” zurückzusenden, so dass man die isländischen Ganzsachen entwerten könne. Das Generaldirektorat zeigt großes Unverständnis für dieses Begehren. Warum will man plötzlich diesen Nummernstempel verwenden? Früher, als es obligatorisch war mit Nummernstempeln zu arbeiten, wendete man Nr. 73 nur äußerst selten auf Lemvigs Bahnpostexpedition an. Warum nun plötzlich dieser Wunsch? Trotz allem wird der Stempel nach Lemvig zurückgesendet und die Ganzsachen werden mehrere Monate nach der Anlandung in Dänemark entwertet.

Ein ausgedienter Stempel
Es war bestimmt sehr warm im Juli 1884. Oder vielleicht auch aufgrund anderer Ursachen war das Postpersonal sehr verwirrt, denn es vergaß den Datumsstempel abzuschlagen und außerdem wurden die isländischen Postkarten in ein Paket der Lemviger Zeitung eingebunden, so dass sie im Kopenhagener Zeitungspostamt ankamen. Denn nur so ist zu erklären, dass die Postkarten rückseitig mit “KJØBENHAVN / A P” (Avispostkontor) gestempelt wurden.
Das Personal des Zeitungspostamtes war so überrascht unter westjütischen Zeitungen isländische Postkarten zu finden, dass es lange im Stempelkasten suchte und dann einen Stempel fand, der zwar seit einem halben Jahr nicht mehr in Gebrauch war aber nun doch noch einmal als Eingangsstempel verwendet wurde.
Wenn man nun denkt, die Schwierigkeiten sind überstanden, so denkt man falsch: Erst jetzt begann die große Detektivarbeit die Empfänger zu finden - keine der Postkarten trägt einen Straßennamen. Dieses Problem würde sicher nie gelöst werden können, also schenkte man die Karten einem Stempelsammler, dessen Name eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Namen des Absenders einer der Postkarten hatte: Olafsen (= Olaf BØGH).

Die Stempel liegen im Postmuseum
Heute haben wir die Möglichkeit das Rätsel zu lösen. Wir kennen nämlich Olaf Bøghs Schriftstil. Bøgh war früher Abteilungsleiter im Kopenhagener, Postmuseum und die hier beschriebenen isländischen Ganzsachen sind sein "Werk". Der Schriftstil aller Karten ist identisch. Olaf Bøgh wurde 1882 geboren, so dass es schwer zu verstehen ist, dass er diese Postkarten 1884 geschrieben haben will. Diese wurden viele Jahre später mit Hilfe von Stempeln, die im Postmuseum lagerten, “gemacht”. Kann es eine Spitzfindigkeit sein, dass er “Olafsen” als Absender der einen Karte schreibt? Es “reimt” sich auch nicht der Text derselben Karte. Dort steht: “Per Post sind 100 Lispund Wolle abgesendet worden. Ihr Olafsen”. Diese Menge Wolle würde zwischen 30 und 40 Kubikmeter Platz ausfüllen*. Kein Postwagen der Welt war damals im Stande eine derartige Menge zu befördern. Für Transporte dieser Größenordnung waren die Reedereien direkt zuständig.

Nachbemerkungen von R. Daebel
Die beiden weiteren [im Artikel] abgebildeten Karten tragen ebenfalls nur beiläufige Texte. Derartige gefälschte Ganzstücke dürften in fast jedem Sammelgebiet vorkommen. Aber mit Hilfe einschlägiger Literatur und etwas Kombinationsvermögen sollte man eventuelle Anachronismen aufdecken können. Die drei hier gezeigten Bøgh-Fälschungen sollten ausreichen weitere auftauchende Exemplare durch Vergleich zu identifizieren.
Übrigens Bøgh hat auch den dänisch/isländischen Dreiring-Nummernstempel “237” (Seyðisfjörður) nachträglich auf dänischen Skilling-Briefmarken angebracht.

*(1 Schiffspfund [Skippund] = 20 Liespfund [Lispund] = 320 Pfund [Pund] = 640 Mark = 160 kg - also 1 Lispund = 8 kg - somit die Postsendung mit 800 kg Wolle...???)

weitere Bøgh-"Phantasien"
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